Tourismus Insight
Grün ist nicht gleich grün: Nachhaltigkeitszertifikate im Hotelvergleich
November 2025
Nachhaltigkeit ist für Hotels längst keine Kür mehr, sondern notwendige Pflicht für langfristige Wettbewerbsfähigkeit. „Viele Großkunden, die in den Hotels buchen, müssen Rechenschaft über die Nachhaltigkeit der Häuser ablegen und fordern dafür aktiv Nachhaltigkeitsberichte ein.“, erklärt Brigitte Gruber, Managing Partnerin von Horwath HTL Österreich.
Im Zuge der EU-Taxonomie und der EU-Richtlinine zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind große Hotels, also Betriebe mit über 250 Mitarbeitenden, mehr als 25 Millionen Euro Bilanzsumme oder über 50 Millionen Euro Umsatz in Deutschland und Österreich sogar bereits seit 2025 zur ESG-Berichterstattung verpflichtet. Damit stellt sich die Frage, wie man ein ohnehin notwendiges Reporting strategisch nutzen kann und durch ein Nachhaltigkeitszertifikat die ESG-Konformität auch für potenzielle Gäste transparent macht und für die Vermarktung nutzt.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Studierenden im Projekt „Hospitality“ an der Hochschule Heilbronn mit dem Feld der Nachhaltigkeitszertifikate in der Hotellerie auseinandergesetzt. Ziel war es, sich durch den Dschungel an Zertifikaten zu navigieren und zu analysieren, welche Vor- und Nachteile diese haben, welche Hürden für Hotels bestehen und wie Verbraucher sie wahrnehmen.
Nachhaltigkeitszertifikate im Vergleich
In Deutschland existieren mehr als 40 verschiedene Nachhaltigkeitszertifikate, die teils international, teils national anerkannt sind und in der Hotellerie Anwendung finden. Diese große Vielfalt kann für Hotelbetreiber wie auch für Verbraucher schnell unübersichtlich wirken. Im Rahmen des Projekts wurden um – zumindest einen ersten Ein- und Überblick zu bekommen – vier zentrale Zertifikate detaillierter analysiert: TourCert, Green Globe, Certified Green Hotel und der DEHOGA Umweltcheck. Diese Zertifikate decken verschiedene Bereiche des Hotelbetriebs ab, von Bauweise und Energieeffizienz über den operativen Betrieb bis hin zur Lebensmittelversorgung (F&B) und sozialer Verantwortung.
TourCert überzeugt durch seine ganzheitliche Herangehensweise und bezieht sich auf Standards wie EMAS und GSTC. Es integriert soziale Verantwortung, Lieferketten und Mitarbeiterbedingungen.
Vorteil: klare Struktur und jährliche Verbesserungsprogramme.
Nachteil: hoher Aufwand und weniger Details im Bereich Bau.
Green Globe bietet ein detailliertes, international anerkanntes System mit über 385 Indikatoren. Online-Tools unterstützen die Fortschrittsdokumentation. Die Tiefe ist ein Vorteil, die Komplexität jedoch eine Hürde für kleinere Betriebe.
Certified Green Hotel ist europaweit verbreitet und zeichnet sich durch praxisnahe Maßnahmen aus, z. B. zu Energie, Mobilität oder F&B. Sozialstandards wie Diversität sind enthalten. Es richtet sich primär an Businesshotels und ist nur in Kombination mit Certified-Zertifizierung verfügbar.
Der DEHOGA Umweltcheck richtet sich in erster Linie an kleine und mittelständische Betriebe und bietet einen niederschwelligen Einstieg in das Thema Umweltmanagement. Er punktet durch einfache Erhebungsverfahren und die Förderung von Basismaßnahmen wie Energie- und Wasserverbrauch. Allerdings bleibt das Zertifikat inhaltlich vergleichsweise oberflächlich, da detaillierte Bewertungen in Bereichen wie Bauqualität, sozialer Nachhaltigkeit oder komplexeren Umweltmanagementsystemen fehlen. Zudem sind viele Kriterien nur quantitativ erfasst und nicht immer auf individuelle Verbesserungen ausgerichtet.
Im Vergleich zeigt sich, dass kein Zertifikat alle Anforderungen vollständig abdeckt. Während einige Systeme durch Tiefe und internationale Gültigkeit und Bekanntheit punkten, bieten andere einfache Einstiege oder praxisnahe Handlungsempfehlungen. Für Hotels bedeutet dies: Die Auswahl des passenden Zertifikats sollte sich nach den eigenen Zielsetzungen, Ressourcen und der gewünschten Außenwirkung richten.
Sind Nachhaltigkeit und die entsprechenden Zertifizierungen teuer?
Die Kosten für Nachhaltigkeitszertifikate variieren je nach Anbieter, Unternehmensgröße und Leistungsumfang stark. Der DEHOGA Umweltcheck ist mit 250 bis 450 Euro eine kostengünstige Variante, wohingegen die jährlichen Zertifizierungsgebühren bei Certified Green Hotel bei knapp 2000 Euro liegen. Andere Anbieter, wie beispielsweise TourCert, rechnen individuell nach Zimmeranzahl ab. So gilt es auch beim Thema Kosten abzuwägen, welches passende Zertifizierung sinnvoll ist.
Doch gilt nicht generell, dass Nachhaltigkeit, insbesondere nachhaltiges Bauen teuer oder zumindest teurer ist? Eine Antwort hierzu liefert Harro Grimmer, Leiter der Fachgruppe Bau- und Gestehungskosten des Arbeitskreis Hotelimmobilie: „Nachhaltiges Bauen an sich ist nicht teuer, kostenintensiv wird es erst durch die Bürokratie und den damit verbunden Zeitaufwand dahinter.“ Entscheidend ist daher, dass Zertifikate und demensprechende Anforderungen praxistauglich und verhältnismäßig bleiben, damit sie nicht zum Hindernis für kleinere Betriebe werden. Darüber hinaus amortisieren sich die höheren Kosten des Baus dann in der Zukunft bei der Einsparung von (Energie-)Kosten.
Nachhaltigkeitszertifikate aus Sicht der Kunden
Doch welchen Effekt haben diese Zertifizierungen am Ende auf die Buchungsentscheidung beim Kunden? Durch die Heterogenität und Vielzahl der Zertifikate stellen diese eben nicht nur für Hotels eine Herausforderung dar, sondern insbesondere auch für Kunden, denen es im Dschungel an Zertifikaten letztendlich an Orientierung fehlt.
In der im Projekt durchgeführten Umfrage zur Wahrnehmung und Beeinflussung der Hotelauswahl durch Nachhaltigkeitszertifikate zeigte sich deutlich, dass ein Großteil der Befragten keine besonderen Kenntnisse über Nachhaltigkeitszertifikate in der Hotellerie hat. Die Mehrheit gab an, kaum bis gar nicht zwischen verschiedenen Zertifikaten unterscheiden zu können und sich mehr Transparenz und Aufklärung zu wünschen.
Zwar besteht grundsätzlich ein Interesse an nachhaltigen Angeboten, so bewerteten viele Teilnehmende Nachhaltigkeit als „wichtig“ oder „neutral-wichtig“, doch bleibt die tatsächliche Buchungsentscheidung oft von Faktoren wie Preis, Komfort oder Gewohnheit geprägt. Die Motivation, ein nachhaltig zertifiziertes Hotel zu wählen, steigt, wenn persönliche Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld vorliegen. Gleichzeitig zeigten sich viele Verbraucher durchaus bereit, für nachweislich nachhaltige Hotels einen höheren Preis zu zahlen, sofern sie den Mehrwert erkennen und sich auf die Qualität und Glaubwürdigkeit der Zertifizierung verlassen können.
Eine einheitliche Lösung für die Zukunft?
Horwath HTL begreift Nachhaltigkeit als festen Bestandteil der Unternehmensstrategie und arbeitete im Rahmen des Projekts „Hospitality“ gemeinsam mit Studierenden heraus, wie Nachhaltigkeitszertifikate gezielter eingesetzt werden können, um mehr Hotels den Einstieg in nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen und gleichzeitig mehr Verbraucher für zertifizierte Betriebe zu sensibilisieren. Eine zentrale Erkenntnis dieser Zusammenarbeit war, dass sich die bestehenden Zertifikate wie TourCert, Green Globe, Certified Green Hotel oder DEHOGA Umweltcheck jeweils für unterschiedliche Zielgruppen besonders gut eignen, je nach Betriebsgröße, Ressourcen oder unternehmerischem Anspruch.
Somit könnte ein einheitliches, übergreifendes Zertifikat, welches die nachfolgenden Bestandteile vereint, eine sinnvolle Lösung darstellen:
- Ganzheitliche Prozessbegleitung nach dem Modell von TourCert, wo neben einer regelmäßigen Kontrolle auch eine aktive Unterstützung auf dem Weg zu Nachhaltigkeit stattfindet.
- Umfangreiche Kriterienkataloge in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung gemäß ESG und EU-Taxonomie, wie sie Green Globe anbietet.
- Modulares Stufensystem mit Einstiegsmöglichkeiten für kleine Hotels und Entwicklungspfaden (z. B. vom „Green Beginner“ zum „Green Expert“), um nachhaltiges Wachstum zu fördern.
- Objektive und transparente Prüfverfahren, etwa durch rotierende, unabhängige Prüfer wie bei Certified.
- Digitale Tools zur Fortschrittsdokumentation, um Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Weiterentwicklung zu gewährleisten.
- Anpassung an Unternehmensgröße, sowohl hinsichtlich der Kriterien als auch bei den Kosten.
- Geringer bürokratischer Aufwand und niedrige Kosten.
Ein solches Zertifikat würde Vertrauen schaffen, die Sichtbarkeit nachhaltiger Betriebe erhöhen und Greenwashing vorbeugen. Für die Branche wäre es ein starker Hebel, um Tourismus langfristig umweltfreundlicher, sozial verantwortlicher und wirtschaftlich zukunftsfähiger zu gestalten. Für die Umsetzung bedarf es jedoch ebenfalls einer politischen Instanz, auch wenn dies bislang nicht in Sichtweite ist.