
Perspektive
Zwischen Sichtbarkeit und Unabhängigkeit – die marktbeherrschende Stellung von Booking.com
Die Online Travel Agency (OTA) Booking.com wurde 1996 in Amsterdam gegründet und zählt heute zu einem der international bekanntesten Buchungsportale für Ferienunterkünfte.
Aber auch Mietwägen, Flüge, Taxis und Ausflüge können über das Portal der Booking Holdings, das seinen Sitz im Bundesstaat Connecticut in den USA hat, verglichen und gebucht werden. Neben Booking.com gehören ebenfalls die Reisesuchmaschine KAYAK, sowie die Plattformen Priceline (Dienstleister für reduzierte Reisen), Agoda (Online-Hotelbuchungsplattform), Rentalcars.com (Vergleichsseite für Mietwagen) und Open Table (Reservierungs- und Gästemanagement für Restaurants) zum Unternehmen.
Trotz Umsatzeinbrüchen von mehr als 50 Prozent im Jahr 2020, hat sich der Konzern rasch von den Folgen der Pandemie erholt und übertraf bereits 2022 das Vorkrisenniveau. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Booking Holdings ein Umsatzvolumen von 21,37 Milliarden Euro. Diese wirtschaftliche Stärke ist hauptsächlich auf die marktbeherrschende Stellung der Marke Booking.com zurückzuführen. Insbesondere im europäischen Raum profitiert Booking.com vom sogenannten Netzwerkeffekt. Die große Nutzerbasis macht Booking.com für Hotels zunehmend attraktiv, da sie hier eine Vielzahl potenzieller Gäste erreichen können. Gleichzeitig zieht die Plattform stetig mehr Kunden an, da diese wissen, dass sie auf Booking.com eine breite Auswahl an Unterkünften finden. Ein weiterer Grund für die Marktdominanz der OTA Booking.com sind mitunter die hohen Marketingausgaben des Unternehmens in Höhe von 6,9 Milliarden in 2023, was mehr als 30 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht.
Laut der AHGZ wurden europaweit 29,6 Prozent aller Übernachtungen über Online-Buchungsportale (OTAs) gebucht. Obwohl in Deutschland dieser Anteil sogar bei 31,2 Prozent liegt, kann insgesamt ein Rückgang von 4,9 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021 beobachtet werden. Dabei zeigt eine Studie von Hotrec, dass Booking Holdings der führende OTA-Anbieter ist, mit einem europaweiten Marktanteil von 71,0 Prozent und 72,3 Prozent in Deutschland – ein Anteil, der in den letzten zehn Jahren noch stetig gewachsen ist.
Seine quasi Alleinstellung im Markt macht Booking.com zum wichtigsten Buchungs- und Vergleichsportal für Reisende und demnach zum bedeutendsten Vertriebskanal – gerade für kleinere Hotelbetriebe mit geringer Anzahl an Direktbuchungen. Das Portal schafft ihnen einen Zugang zu internationalen Märkten und verhilft zu mehr Sichtbarkeit und einer größeren Reichweite. Markenunabhängige Hotels sind besonders auf OTAs angewiesen, da ihnen ein markeneigenes, international sichtbares Vertriebssystem fehlt und sie oft über ein begrenztes Marketingbudget verfügen. Durch Werbeanzeigen auf diesen Plattformen können Hotels ihre Sichtbarkeit bei potenziellen Gästen ressourcenschonend erhöhen. Gleichzeitig übernimmt Booking.com den kompletten Buchungsprozess, von der Zahlung bis zur Kommunikation mit den Gästen, was den Aufwand für die Hotelbetreiber reduziert. Problematisch ist hierbei, dass die Hoteliers damit einen Kunden in der Datenbank „verlieren“– Die Kontaktdaten verbleiben bei Booking.com. Zudem müssen die Hoteliers pro Buchung eine Kommission an Booking zahlen, deren Höhe sich nach ihrer Abhängigkeit von der OTA richtet. Markenhotels, die weniger auf Booking.com angewiesen sind und einen bedeutenden Teil ihres Zimmerkontingents bereits über andere Vertriebswege verkaufen, zahlen deutlich niedrigere Kommissionen als Privathotels, die den Großteil Ihres Zimmerkontingents über Booking.com vertreiben.
Doch auch die Marktdominanz von Booking bringt Nachteile mit sich. Durch ihre starke Marktposition und den daraus resultierenden Druck auf die Hoteliers geriet das Unternehmen in den letzten Monaten immer wieder in negative Schlagzeilen. Ob durch „Ratenparitätsklauseln“, „Betrugsvorwürfe“ oder „illegale Kommunikationstechniken“–das Unternehmen scheint seine Marktmacht auszunutzen und Hotelbetrieben zum Teil unfaire Geschäftsbedingungen aufzuzwingen.
Im September 2024 entschied der Europäische Gerichtshof im Kartellrechtsstreit zugunsten der Hoteliers und stellte damit Rechtssicherheit in Bezug auf die Bestpreisklauseln innerhalb der EU her. Demnach können Bestpreisklauseln grundsätzlich nicht als Nebenabreden angesehen werden. Diese Klauseln verpflichten Hotels, auf OTA-Plattformen denselben oder einen besseren Preis als über andere Buchungskanäle, wie etwa die eigene Website, anzubieten.
Motel-One-Gründer Dieter Müller kritisiert in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass Booking.com durch sein scheinbares Membership-Programm die Gäste der Hotels zunehmend an den Online-Anbieter bindet, obwohl die Plattform selbst überhaupt keine eigenen Hotelzimmer besitzt, sondern diese lediglich vertreibt. Indem die OTA einen Teil der Kommission in Form von Mitgliederrabatten direkt an die Reisenden weitergibt, erschwert sie es den Hotels, Direktbuchungen über ihre eigenen Websites zu fördern. Bleibt der Hotellerie am Ende also nur die konsequente Antwort, ihre Zimmer ausschließlich über eigene Plattformen und nicht mehr über Booking.com anzubieten?
Eine Alternative zu Booking.com schaffen die ebenfalls, auf dem deutschen Markt bekannten Wettbewerber Expedia und HRS, mit einem aggregierten Anteil von gut 30 Prozent. Neben diesen plant auch das chinesische Unternehmen Trip.com, seine Marktpräsenz in den kommenden Jahren erheblich auszubauen und somit zur ernsthaften Konkurrenz für Booking.com zu werden.
Die chinesische Trip.com Group, ehemals Ctrip, zu der auch das Flugsuchportal Skyscanner gehört, setzt gezielt auf künstliche Intelligenz, um Effizienz zu steigern und ihren Kunden personalisierte Angebote zu bieten. Für seinen Wachstumskurs setzt das Unternehmen vor allem auf strategische Partnerschaften mit globalen Anbietern wie Amadeus und Rail Europe sowie auf einen Fokus auf das wachsende In- und Auslandreiseverhalten chinesischer Kunden. Trip.com plant außerdem, gezielt die ältere Zielgruppe zu erreichen und das Potenzial der Seniorenmärkte zu nutzen, was mit einem Anstieg von 90 Prozent bei Nutzern über 50 Jahren im Vergleich zu 2019 einherging. Der Anbieter setzt weiterhin auf direktes Traffic-Wachstum und verbessertes Cross-Selling zur Optimierung seiner Marketingausgaben.
Fakt ist jedoch, ob Booking, Expedia oder Trip.com, der Anteil des Direktbuchungsumsatzes ist gesunken, während der OTA-Umsatz gestiegen ist. Diese Verschiebung deutet auf eine zunehmende Abhängigkeit von OTAs hin, die in der Regel hohe Provisionssätze verlangen. Ein Hauptgrund für die wachsende Bedeutung der OTAs sind die jüngsten Änderungen an den Google-Suchergebnissen für Hotels, welche dazu geführt haben, dass die organischen Ergebnisse weiter nach unten gerutscht und dadurch weniger sichtbar sind. Ist somit bislang nicht an eine Unabhängigkeit von Booking.com & Co. zu denken?
Durch den Wegfall der Bestpreisklauseln werden faire Wettbewerbsbedingungen zwischen OTAs und den Direktbuchungskanälen der Hotels geschaffen. Dadurch können Hotels zumindest verstärkt auf Direktbuchungen setzen und damit ihre Abhängigkeit von Drittanbieter-Plattformen reduzieren und einen größeren Anteil ihrer Einnahmen direkt erzielen.
Jedoch benötigen Hotels dafür eine klare Strategie: Zunächst gilt es, alle relevanten Kennzahlen wie Website-Traffic, Buchungsumsatz, Vertriebsmix und Akquisitionskosten gründlich zu analysieren, um fundierte Entscheidungen für den besten Vertriebskanal treffen zu können. Investitionen in bezahlte Werbung, insbesondere für den Hotelnamen, sind wichtiger denn je, um die Sichtbarkeit bei Suchanfragen zu steigern und qualifizierte Besucher anzuziehen. Vor allem für kleinere Betriebe sind fachkundige Partner unverzichtbar, die wertvolle Einblicke liefern und bei der Optimierung von SEO- und Marketingstrategien unterstützen, um effektiv auf das dynamische Online-Wettbewerbsumfeld reagieren zu können.
Abschließend lässt sich sagen, Booking.com bleibt weiterhin die wichtigste OTA, doch ein wachsender Wettbewerb und neue rechtliche Regelungen stärken die Position der Hotellerie. In einer zunehmend digitalen Welt sollten Hoteliers diese Chancen nutzen, um ihre Vertriebsstrategien gründlich zu analysieren und langfristig mehr Kontrolle über Preisgestaltung und Vertriebskanäle zurückzugewinnen. Das bedeutet nicht, Booking.com & Co. komplett den Rücken zu kehren. Gerade Privathotels, die nicht über das nötige Marketinggerüst für eine eigenständige internationale Positionierung verfügen, profitieren von der Reichweite einer OTA. Dennoch ist es entscheidend, die Abhängigkeit von einer einzigen Plattform zu vermeiden und die eigenen Vertriebskanäle flexibel auf die Geschäftsziele auszurichten.