Tourismus Insight
Quo vadis Tourismus? Tourismuspolitik als Kompass der touristischen Beratung
September 2025
Selten beherrschen die Themen der Tourismuspolitik die Schlagzeilen – zumindest auf den ersten Blick. Denn, während der Tourismus allgemein mit Sommer, Sonne und Meer in Verbindung gebracht wird, ist er weit mehr als das. Als Querschnittsbranche umfasst er mehr als den Hotellerie- und Beherbergungsmarkt, die Reisevermittlung oder die Gastronomie. Auch die Infrastruktur, Freizeit- und Kulturangebote, Natur und Naturschutz sowie die öffentliche Verwaltung und viele mehr sind Teil dieses vielfältigen Wirtschaftszweiges. Diese Heterogenität allein zeigt die Herausforderung für die Branche selbst, aber auch für die Interessensvertretung in der Politik. Gleichzeitig sind die politischen Rahmenbedingungen (Gesetze, Regulierungen und Förderungen) der Kompass für touristisches Agieren und entsprechend spielt die Tourismuspolitik auch eine zentrale Bedeutung für uns als Beratung.
So hängen eine Vielzahl von touristischen Investitionen direkt oder indirekt von politischen Förderprogrammen und Infrastrukturmaßnahmen ab. Gleichzeitig berücksichtigen Beratungsprojekte politische Strategien wie Nachhaltigkeitsziele, Regionalförderung oder Digitaloffensiven, um zukunftsgerichtete Projekte zu planen. Umso mehr beobachten wir als touristische Beratung sehr genau, welche Vorgaben aus der Politik kommen.
Der Tourismus zwischen weltpolitischen Herausforderungen und eigener Repräsentation
Im Mai 2025 nahm die neue Regierung in Deutschland mit der Koalition von CDU, CSU und SPD ihre Arbeit auf und steht nun vor elementaren – insbesondere auch weltpolitischen –Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Gleichzeitig muss die heimische Wirtschaft stabilisiert und gefördert werden. Dabei ist auch die Bedeutung des Tourismus nicht zu unterschätzen, da er laut dem Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) mit rund vier Prozent zur Bruttowertschöpfung beiträgt und rund drei Millionen Menschen im Tourismus oder tourismusnahen Bereichen arbeiten. Zuletzt trug dieser Wirtschaftszweig laut statista mit fast neun Prozent (2022) zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Zahlen, aber auch mit Blick auf die gesamtpolitischen Herausforderungen gilt es die Tourismusbranche zu fördern – als wichtiges Standbein der hiesigen Wirtschaft sowie gleichzeitig als Refugium der Erholung und des Kraft- und Energietankens im Rahmen einer Urlaubreise.
Was plant die neue Bundesregierung aber nun konkret für den Tourismus und welche Hebelwirkungen und Möglichkeiten können dadurch für diese Branche entstehen?
Im Koalitionsvertrag vom 5. Mai 2025 wird der Tourismus als Teil einer wirtschaftlichen Gesamtstrategie betrachtet, die auf Wachstum, gute Arbeit und faire Bedingungen abzielt – insbesondere durch faire Löhne, wettbewerbsfähige Energiekosten und eine klimafreundliche Entwicklung des Luftverkehrs. Zudem soll eine neue nationale Tourismusstrategie entwickelt werden mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Infrastruktur. Ziel ist es Deutschland als ein attraktives, zukunftsfähiges und international wettbewerbsfähiges Reiseziel zu stärken.
So weit, so gut zur Theorie und ambitionierten Zielsetzungen zu Beginn einer jeden Legislaturperiode. Aber was sind die Forderungen aus dem Tourismus? Was muss tatsächlich geschehen, um Deutschland als Destination zu stärken und gleichzeitig den Tourismus als wichtigen Beitrag zum BIP zu etablieren?
Stärkung des Tourismus im politischen Umfeld
Als Hauptziel für die kommenden Jahre nennt Anja Karliczek (CDU), Vorsitzende des Tourismusausschuss, die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in den Fokus der Politik zu bringen. Dieser wird – eben auf Grund seiner Vielfältigkeit – nicht als das Gewicht in der Politik wahrgenommen, die er ist. Dabei soll der Tourismusstandort Deutschland nachhaltig gestärkt werden. Durch die vielen Krisen auf der Welt, steht Deutschland als sicheres Reiseland und hat ungenutztes Potenzial insbesondere (besser situierte) Gäste aus den europäischen Ländern aber auch weltweit anzulocken. Dabei ist eine Politik gefragt, die ein attraktives Umfeld schafft, wie funktionierende Mobilitätsdienstleistungen (Bahn und Bus), entsprechende kulturelle und kulinarische Angebote und ein ansprechendes Portfolio an Übernachtungs- und Gastronomiemöglichkeiten. Gleichzeitig muss die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch einen Abbau an Bürokratie gesichert werden.
Eine Entlastung der Branche durch eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die in den vergangenen Jahren von den höchsten Teuerungsraten (Personal, Energie und Lebensmittel) betroffen war, ist dabei ein erster wichtiger Schritt. Auch hier, um mit dem europäischen Ausland gleichziehen zu können, wo viele Länder (u.a. Frankreich, Österreich, Spanien oder Italien) bereits einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Speisen anwenden. Diese soll – laut Koalitionsvertrag – am 1. Januar 2026 in Kraft treten.
Dass die Bedeutung der Rolle des Tourismus in der Politik aber immer noch nicht den Stellenwert hat, den die Branche einnehmen sollte, zeigt, dass es hierzulande noch kein eigenes (Teil-)Ministerium für den Tourismus gibt, wie es beispielsweise die Länder Italien, Spanien, Griechenland oder Kroatien haben. Die Branche ist dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zugeordnet, eine gewisse Sichtbarkeit und politische Aktionsfähigkeit wird durch den Tourismusausschuss gewährt. Grenzen der Handlungsfähigkeit sind dadurch gesetzt, dass er als Querschnittsausschuss keine eigenen Gesetzgebungsverfahren einleiten kann, aber in einigen Verfahren (z. B. Steuern, Naturschutz, Arbeit) das Zünglein an der Waage ist und entsprechende Gesetzgebungsverfahren anstoßen kann.
Tourismuspolitik im Spannungsfeld von Wahrnehmung und Realität
Dieses Spannungsfeld aus der Unterschätzung und fehlenden Wahrnehmung von Tourismus einerseits und der Notwendigkeit von politischen Rahmenbedingungen andererseits gilt es in Einklang zu bringen, um Deutschland als Reiseland nachhaltig zu stärken.
Für dieses Ziel setzen sich Verbände und Interessengruppen ein. Dabei fordert beispielsweise der Deutsche Tourismusverband (DTV) unter anderem einen eigenständigen Staatssekretär für Tourismus. So fordert der Deutsche Tourismusverband (DTV) u.a. einen unabhängigen Staatssekretär für Tourismus. Dieser würde die Bedeutung des Tourismus als Leitökonomie betonen und zu einer stärkeren Verankerung in der Bundesregierung mit eigenem Personalstab und Etat führen, so der Präsident des DTV Reinhard Meyer. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass tourismusrelevante Themen wie Infrastruktur, Regionalförderung und Visa-Regelungen in verschiedenen Ministerien verhandelt werden. Entsprechend wäre eine zentrale Koordinierungsstelle notwendig oder zumindest wünschenswert, um die neue Nationale Tourismusstrategie, an welcher gerade gearbeitet wird, dann auch effizient und erfolgreich umzusetzen.
Auch die TUI Group fordert die Einsetzung eines Staatssekretärs, um den Tourismus als wirtschaftlichen Wachstumsmotor stärker politisch zu verankern. Weitere Forderungen umfassen u. a. faire Wettbewerbsbedingung für Pauschalreiseanbieter, eine Reform des Reisesicherungsfonds sowie den Abbau bürokratischer Hürden. Auch für den Luftverkehr gilt es Zusatzkosten zu reduzieren. Deutsche Flughäfen verlieren für die Airlines an Attraktivität und verzeichnen immer weniger (internationale) Abflüge, da sie die höchsten staatlichen Kosten Europas haben. Hier hat der Staat einen wesentlichen Hebel in der Hand, Deutschland in der Flugverkehrswirtschaft wieder zu stärken – als Tourismus, Messe- und vor allem als Wirtschaftsstandort. .
Insgesamt steht die Regierungskoalition vor der Herausforderung ökonomisches Interesse sowie soziale und ökologische Interessen des Tourismus in Einklang zu bringen. Vor den genannten Anforderungen kann dieser Spagat nur gelingen, wenn ein ganzheitlicher Ansatz, der die Interessen aller Akteure betrachtet, gefunden wird. Denn nur durch eine ausreichende politische Rückendeckung kann der Tourismus sein volles wirtschaftliches und gesellschaftliches Potenzial entwickeln.
Fazit für die touristische Beratung
Für uns als Berater bedeutet dies, dass wir nicht nur die Markttrends und Kundenbedürfnisse im Auge behalten müssen, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen aktiv berücksichtigen müssen – zum Beispiel bei der strategischen Planung, der Risikobewertung und der Finanzierung.
So lässt sich abschließend festhalten, dass die politische Agenda direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Innovationskraft der Branche hat. Als Berater gilt es, die politischen Rahmenbedingen und – entwicklungen im Blick zu behalten und unsere Kunden darauf vorzubereiten, sie zu informieren und bei der Positionierung ihres Projekts gegenüber Entscheidungsträgern zu unterstützen. Denn wer heute Tourismus gestaltet, muss die Politik von morgen verstehen.