
Hospitality Insight
Digital, schnell, risikoreich?
July 2025
Lehren der Entwicklung von Sonder für Europas Hospitality-Tech-Szene
Finanzielle, technische Schwierigkeiten, Kostensenkungen und Entlassungen und nun der Führungswechsel, den das Unternehmen jüngst vollzogen hat. Der einstige Pioneer der tech-basierten Designunterkünfte zählt längst nicht mehr zu den Top-Performern innerhalb der Nische. Ganz im Gegensatz zur Serviced-Apartment Marke Limehome, die regelmäßig Schlagzeilen durch neue hohe Auslastungen von über 90 Prozent, immer wiederkehrende Übernahmen oder ihre generell starke Expansion in Europa, verbunden mit einer sehr guten Performance in der Hotelbranche, macht. Doch was, wenn auch Limehome und deren Nachzügler wie Numa und Co. einen ähnlichen Werdegang wie Sonder bevorstehen?
2014, in Montreal von Francis Davidson und Lucas Pellan gegründet, positionierte sich das Unternehmen in der Nische zwischen persönlicher Privatunterkunft und klassischem Hotel und entwickelte sich rasch als Vorreiter in Sachen digitalem Service und designorientierter Räume. Mit seinem Konzept von Apartments und Boutique Hotels im einheitlichen Look, betrieben über eine Technologieplattform und dem Gästeservice (Check-In, Kommunikation etc.) komplett über die eigene App, wurden design- und tech-affine Reisende, die Verlässlichkeit und Stil suchen, adressiert. Heute ist Sonder in 40 Städten weltweit, hauptsächlich aber auf dem amerikanischen Kontinent vertreten. Nach der schnellen Expansion bis hin zur Covid-19-Pandemie folgte 2022 der Börsengang und zwei Jahre später die strategische Partnerschaft mit Marriott.
Doch weshalb ist Sonder diesen Deal mit Marriott überhaupt eingegangen?
Nach dem Börsengang im Jahr 2021 geriet Sonder zunehmend unter Druck: Das Unternehmen kämpfte mit steigenden Verlusten, verspäteter Finanzberichterstattung und operativen Schwierigkeiten. Allein in den Jahren 2022 und 2023 wies Sonder Nettoverluste von rund 250 Millionen US-Dollar aus. Die ehrgeizigen Wachstumsziele des Unternehmens prallten auf die Realität hoher Mietverpflichtungen, mangelnder Profitabilität und zunehmender Skepsis seitens der Investoren. Die Kooperation mit Marriott verschafft Sonder dringend benötigte Stabilität und Zugang zu Marriotts umfangreicher Infrastruktur. Allerdings droht Sonders eigenständige, designorientierte Identität im Marriott-Universum aufzugehen, was die bisherige Kernzielgruppe gefährden könnte. Neue Immobilienprojekte müssen Marriott angeboten werden, und Sonder muss Lizenzgebühren zahlen und sich an Exklusivitätsklauseln halten. Wachstum und Gästebindung hängen nun von Marriotts Plattformen und Prioritäten ab, was Sonders unternehmerische Unabhängigkeit einschränkt.
Doch beim Stichwort „designorientierte Apartments mit rein digitalem Betrieb“ denken viele, besonders hierzulande auch an die Marke Limehome, als Vorreiter unter den Serviced Apartments. Limehome, wurde 2018 von den ehemaligen Unternehmensberatern Lars Stäbe und Dr. Josef Vollmayr gegründet und entwickelte sich aus ihrem Wunsch heraus nach einer komfortableren und effizienteren Unterkunftsoption. Das digitale, kontaktlose Konzept des Unternehmens trug zu seinem Wachstum während der Pandemie bei, als traditionelle Hotels mit Lockdowns und Reisbeschränkungen zu kämpfen hatten. Gäste suchten nach Alternativen, was technologiegetriebenen Modellen wie Limehome zugutekam. Das Unternehmen nutzte die Gelegenheit, um zu expandieren, neue Standorte zu eröffnen und zusätzliche Finanzierungen einzuwerben. Limehome verdoppelte seinen Umsatz und expandierte ins Ausland, etwa nach Spanien. In Deutschland hat das Unternehmen inzwischen 5.250 Apartments in über 80 Städten unter Vertrag und gehört mit rund 90 aktiven Standorten zu den größten Hospitality-Unternehmen des Landes.
Was unterscheidet die beiden Tech-Apartment-Betreiber?
Trotz ähnlicher Grundideen unterscheiden sich Sonder und Limehome in einigen zentralen Aspekten hinsichtlich ihrer Unternehmensstruktur als auch in ihrer technologischen und strategischen Ausrichtung. In der Wachstumsstrategie verfolgte Sonder über Jahre einen aggressiven, oft unprofitable Expansionskurs mit dem Ziel, schnell Marktanteile zu sichern, was letztlich zur aktuellen Krise beitrug. Limehome dagegen wächst kontrolliert, partnerschaftsbasiert und marktselektiv. Statt in prestigeträchtige Großstadtlagen zu drängen, setzt Limehome auch auf innerstädtische Standorte in B- und C-Städten, in denen es frühzeitig Marktanteile sichern kann. Auch im Umgang mit Umsätzen unterscheiden sich Sonder und Limehome: Während Sonder trotz hoher Umsätze lange nicht wirtschaftlich arbeiten konnte und mehrfach Kapitalzufuhr benötigte, ist Limehome nachhaltig profitabel, mit überdurchschnittlich hohen Mietdeckungsquoten. Beim Gästeerlebnis schließlich lassen sich beide Marken als designorientiert und digitalisiert charakterisieren. Dennoch bietet Sonder nach wie vor ein stärker hotelähnliches Erlebnis und bietet neben Serviced Apartments auch Hotelzimmer an. Limehome setzt dagegen konsequent auf Automatisierung und Standardisierung, was zwar Effizienz bringt, aber mitunter als unpersönlich empfunden wird, insbesondere, wenn die Technik nicht reibungslos funktioniert. Ein weiterer Erfolgsfaktor der Marke Limehome ist die operativ schlanke Struktur: Tausende Einheiten können mit relativ wenig Personal betrieben werden, was die Kosten niedrig und die Margen hoch. Gleichzeitig ist Limehome durch seine geografische Diversifikation weniger anfällig für Nachfragerückgänge in einzelnen Regionen oder Städten.
Allerdings ist auch Limehomes Modell nicht frei von Schwächen. Die rein digitale Gästebetreuung kann zum Nachteil werden, wenn Technik versagt und kein physischer/persönlicher Support vor Ort ist. Demnach werden in den Bewertungen von Limehome Kritikpunkte in Bezug auf Sauberkeit, defekte Ausstattung oder Probleme beim Check-In verwiesen, die nicht immer umgehend beseitigt werden konnten. Auch eine fehlende Barrierefreiheit wurde desweilen kritisiert. Hinzu kommt, dass die Umwandlung von Nicht-Hotelimmobilien (etwa ehemalige Büros oder Einzelhandelsflächen) operativ komplex ist. Rund 40 % der geprüften Objekte gelten laut eigenen Angaben als nicht geeignet. Und obwohl Automatisierung die Skalierung erleichtert, stößt sie an Grenzen, wenn Gäste klassische Hotellerie-Standards wie persönliche Betreuung oder unmittelbare Problemlösungen erwarten. Nicht zuletzt wächst mit der weiteren Expansion auch für Limehome der regulatorische Druck, insbesondere in neuen Märkten mit komplexen Genehmigungs- und Nutzungsauflagen.
Fazit:
Sonders Integration in das Marriott-System zeigt sowohl das Potenzial als auch die Risiken einer schnellen, technologiegetriebenen Expansion in der Hotellerie. So beeindruckend Limehomes unabhängiges und profitables Wachstum auch ist, ist das Modell nicht frei von operativen Herausforderungen und Risiken im Gästeerlebnis. In einer sich wandelnden Branche werden jene Anbieter erfolgreich sein, denen es gelingt, digitale Effizienz mit Verlässlichkeit, Anpassungsfähigkeit und echter Gästezufriedenheit in Einklang zu bringen. Für Hospitality-Profis, Investoren und Technologiepioniere ist die Geschichte von Sonder und Marriott eine Mahnung und Limehomes Weg ein Lehrbeispiel für die Chancen, aber auch die Grenzen von Automatisierung in der Hotellerie.
Autoren
Frankfurt Büro
Christian Buer